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Brauchen wir unsere Körper noch?

In Folge 05 der Anime-Serie "Serial Experiments Lain" wird in einer Szene die Aussage getätigt, der Mensch bräuchte seinen Körper doch nur um seine eigene Existenz beweisen können. An dieser Aussage scheint mir etwas Wahres zu sein. Karl Popper sagte, dass Ich entsteht erst im Austausch mit dem Gegenüber. Auch in vielen Theorien der Identität in den Sozialwissenschaften kommen ähnliche Aussagen vor. Was heißt das genau?

Wenn ich keinerlei Kontakt zu anderen Menschen habe, die mir mein Verhalten spiegeln können, ich keinen Grund habe mein Verhalten meinen Mitmenschen anzupassen um sie nicht zu verletzen, dann läuft mein Ich ins Leere. Das Bild was andere Menschen von mir haben und wie ich mich ihnen gegenüber Verhalte bestimmt wer ich bin. Für meine Mutter bin ich ihr Sohn. Das ist die Rolle die ich ihr gegenüber einnehme. Mit dieser Rolle sind bestimmte Eindrücke verknüpft. Ein Bild, das meine Mutter vor Augen hat, wenn sie an mich denkt. Dieses entsteht beispielsweise aus Ereignissen meiner Kindheit, wie ich mit ihr rede oder wie sie meine Entwicklung betrachtet, einordnet und zu dem zusammenfügt, was ich für sie bin. Der Fakt, dass ich ihr Sohn bin, ist dabei nichts anderes als ein unausweichlicher biologischer Umstand. Wenn ich nicht gerade in einer Petrischale gezüchtet wurde, habe ich mit einhundertprozentiger Wahrscheinlichkeit eine Mutter, unabhängig davon ob sie noch lebt oder nicht. Die Bedeutung des Ausdrucks mein Sohn ist das, was hier entscheidend ist. Mein Sohn - oder umfassender ausgedrückt mein Kind - kann für jede Mutter und jeden Vater andere Inhalte haben, alleine schon deswegen, weil jeder Mensch anders ist und bestimmte Eigenschaften mitbringt, die das Bild dessen formen, was diese Menschen für ihre Eltern sind. 

All das, die Reflexion über andere, die Bilder, die sie von mir haben und meine Interaktion mit der Umwelt sind jedoch an einen ganz entscheidenden Umstand geknüpft: der Tatsache, dass ich einen Körper habe. Sicher können diese Dinge auch stattfinden ohne, dass jemand mein körperliches Sein überhaupt kennt oder wahrnehmen kann. Die moderne Technologie ermöglicht es uns mit Menschen in Kontakt zu treten, die unsere Körperlichkeit nicht kennen. Ich kann mit jemandem am anderen Ende der Welt über das Internet chatten und so meine Einstellungen, Ansichten, Vorstellungen und Überzeugungen kundtun. Dennoch löst mich das nicht von meiner Körperlichkeit, dem körperlichen Sein, also dem Umstand, dass ich als Körper in der Welt bin. Hätte ich keinen Körper, könnte ich nicht chatten und mein Chatpartner geht stillschweigend davon aus, dass ich einen Körper habe, so wie ich auch stillschweigend davon ausgehen kann, der andere habe ebenfalls einen Körper. Natürlich nur solange ich tatsächlich mit einem Menschen und keinem Chatbot oder ähnlichem kommuniziere. Dieser Körper ist Träger meines Ich. Wenn ich keinen Körper habe, kann Ich nicht existieren. Es gibt keine Möglichkeit mein Ich zu formen, wenn ich nicht in der Welt bin und mit ihr interagieren kann. 

Im Leib-Seele-Problem, eines der bekanntesten philosophischen Probleme stellt sich die Frage, ob Leib und Seele, respektive Körper und Geist, zwei voneinander unabhängige Substanzen sind. Hannah Arendt unterscheidet in "Vom Leben des Geistes" Geist und Seele in der Hinsicht, dass die Seele Träger unserer Emotionen, Gefühle und Empfindungen ist und der Geist das rationale Handlungsfeld darstellt. Der Geist ist es, der urteilt und Entscheidungen trifft. Diese Unterscheidung scheint mir im Zusammenhang meiner Darstellung als treffend, weswegen ich mich im weiteren Verlauf daran halten werde. Ob das Ich nun im Geist oder in der Seele oder in beidem verhaftet ist, bleibt erstmal irrelevant. Ob Körper und Geist zwei voneinander unabhängige Dinge sind, ob das eine das andere impliziert, ob sie unabhängig voneinander sein können oder nicht oder ob der Geist nur ein Nebeneffekt unseres durch Evolution entstandenen gigantischen Gehirns ist (evolutionärer Epiphänomenalismus) muss hier ebenfalls nicht beantwortet werden. Entscheidend ist, dass unser Ich an Körperlichkeit gebunden ist. Lassen wir die durchaus kritisch zu betrachtenden Fälle von Kontakten mit körperlosen Entitäten wie Gott, Geistern von Verstorbenen oder interdimensionaler Kommunikation aussen vor, bleibt festzustellen, dass unsere Existenz an physische Umstände gebunden ist. Sterbe ich, höre ich auf zu sein. Zumindest physisch. Die Geschichten, Bilder und Eindrücke über mich, "leben" in dem, was ich hinterlasse weiter. In den Menschen, die über mich auch nach meinem Tod sprechen, in den Dingen, die ich getan habe, also zum Beispiel Bücher, die ich geschrieben habe, Dinge, die ich hergestellt habe oder Kinder, die ich bekommen habe. Aber das, was mich ausmacht, ist für immer verloren. Das liegt daran, dass ich den Bildern meiner Mitmenschen von mir keine neuen Informationen, also Eindrücke, hinzufügen kann. Das, was mich als Wesen in der Zeit als Existenz ausmacht, ist die Tatsache, dass ich im Ablauf der Zeit aktiv bin und so meine Geschichte schreibe. Der Tod ändert diese Tatsache dramatisch. Nicht nur mein Körper, sondern auch meine Geschichte endet. Alle Fehler, die ich gemacht habe, können nicht mehr aufgearbeitet werden. Alle ungelösten Konflikte bleiben bestehen. Aber auch jede Liebesbekundung, die ich ausgesprochen habe kann nicht mehr gesteigert werden, weil mir der Tod die Möglichkeit nimmt die Beziehung weiterzuentwickeln. 

Aber was wäre, wenn ich tatsächlich keinen Körper hätte und mein Geist einfach so existieren würde? An dieser Stelle muss ein entscheidender Umstand festgehalten werden: eine Existenz, völlig losgelöst von jeglichem physischen Sein ist in diesem Sinne nicht möglich. Max Tegmark beschreibt in seinem Buch "Leben 3.0" die Möglichkeit, wir könnten an einen Punkt kommen, an dem es möglich sein wird unseren Geist "hochzuladen", also in Datenform zu übertragen und elektronisch zu speichern. Ob hier ein Teleportationsparadoxon vorliegt wäre zu diskutieren, aber das ist im Moment nicht zentraler Punkt. Entscheidend ist, dass auch ein Datensatz auf einer Festplatte nichts anderes ist, als Materie und damit physisch und spätestens seit Einstein wissen wir, dass Energie und Materie prinzipiell das Gleiche sind. Ein elektronischer Datenstrom, selbst wenn er einfach nur fließt und nicht gespeichert wird, ist etwas physisches. Existenz ohne physikalische Umstände ist unmöglich. Nehmen Sie mal ihr Smartphone in die Hand und öffnen eine beliebige App. Sie würden sicherlich etwas sagen wie "Ich habe App-X auf meinem Handy" wobei das besitzanzeigende Wort habe nicht nur eine sprachliche Wendung ist. Die App existiert auf ihrem Handy als elektronische Daten, gespeichert auf einem Datenträger. Sie ist nicht einzigartig, denn viele Menschen können die gleiche App installieren. Je nachdem welche App es ist, können Sie sie aber einzigartig machen durch die Informationen, die Sie ihr bereitstellen. Das können schon einfache Dinge wie ihr Vorname oder Geburtsdatum sein, aber auch Standortdaten, aus denen ein Bewegungsmuster erzeugt werden kann. All diese Informationen machen diese App auf Ihrem Handy einzigartig, denn nur Ihre App besitzt genau diese Kombination aus Informationen. Wenn Ihnen das jetzt bekannt vorkommt, dann liegen sie nicht zwingend falsch. Letzten Endes ist das nichts anderes, als die Konstruktion einer Identität, genau so, wie auch Ihr Ich erzeugt wird: durch die einzigartige Zusammenstellung an Informationen. Und diese Informationen spiegeln sich in der Zusammensetzung elektrischer Signale auf Ihrem Gerät wieder. Sie haben sogar ein Bild dieser App, genauso wie Sie ein Bild Ihrer Mitmenschen haben und diese von Ihnen. Vielleicht bezeichnen Sie die App als nützlich und verwenden sie deswegen besonders häufig. Diese Meinung können Sie mit anderen Menschen, welche die gleiche App benutzen, teilen oder auch nicht. Die App existiert, weil sie mit ihr interagieren und sie sich dadurch in der Zeit verändert. Selbst wenn Sie sie einen Tag lang nicht benutzen würden, hätte die App sich schon dadurch verändert, dass Sie ihr Handy den ganzen Tag mitgenommen haben und sich dadurch ihre raum-zeitliche Ausrichtung verändert hat. 

Sind wir also nichts anderes als Apps? Wahrscheinlich nicht. Auch wenn das mit dem freien Willen in der Philosophie immer noch nicht so ganz geklärt ist, können wir, auf Grundlage dessen wie unsere Welt nunmal funktioniert, durchaus sagen, dass die App absolut fremdbestimmt ist, während das bei Ihnen (hoffentlich) nicht der Fall ist. Eine App kann ihr Handeln nicht frei bestimmen. Alles was sie tut basiert auf ihrer Programmierung und die wurde von einem Menschen gemacht. Die grundsätzliche Definition von freiem Willen ist, dass man auch anders hätte handeln können. Während Sie sich morgens beim Bäcker für ein Körnerbrötchen oder ein Normales entscheiden können, kann die App nicht entscheiden, ob sie die Informationen, die Sie ihr eingeben annehmen möchte oder nicht, wohin sie geht oder ob sie gelöscht wird oder nicht. Während Sie sich zwischen unzähligen Handlungsmöglichkeiten, Leidenschaften und Trieben entscheiden können tut die App einfach nur das, was ihre Programmierung vorsieht. Eine App hat auch keine Gefühle. Auch wenn Sie das vielleicht nicht glauben mögen, aber eine App freut sich nicht Sie zu sehen oder, dass Sie sie verwenden. Global betrachtet trifft das übrigens auf die Welt als Ganzes zu. Ob Sie leben oder nicht ist für den Verlauf der Dinge absolut gleichgültig. Das meinte Albert Camus mit der "zärtlichen Gleichgültigkeit der Welt" in seinem Roman "Der Fremde."

Wenn diese App jetzt aber nicht einfach nur ein Programm wäre, sondern eine Entität, die sich ihrer eigenen Existenz, also ihres In-der-Welt-sein, bewusst ist, Gefühle hat und frei entscheiden kann, was sie tut und was nicht, dann ist sie nicht mehr nur ein Programm. Und wenn sie noch dazu nicht "künstlich" erschaffen worden wäre, sondern ein digitalisiertes menschliches Bewusstsein wäre, würden wir dann von einem Menschen sprechen? Würden wir immer noch sagen, diese Person existiere? Das scheint im ersten Moment wenig einleuchtend. Wir sind daran gewöhnt Entitäten mit Körpern eine Existenz zuzuschreiben. Jemandem der keinen Körper hat, möchten wir irgendwie auch keine Existenz zuschreiben. Aber Ihre App existiert doch auch. Warum weigern wir uns das Gleiche für einen digitalisierten Geist gelten zu lassen? 

Reden wir hier einfach von einem Problem, dass in so weiter Ferne liegt, dass wir uns darum keine Sorgen machen brauchen? Ich denke nicht.

In den letzten einhundert Jahren hat sich die Technologie und unser Verhältnis zu ihr gewaltig verändert. Um das zu erläutern soll einmal kurz erwähnt werden, was ich in diesem Zusammenhang überhaupt mit Technologie meine. Jedes Werkzeug, das nicht natürlich an meinem Körper gewachsen ist, ist Technologie. Jedes Messer, Hammer, Kochlöffel oder Smartphone, ist Technologie. Und während im Zeitalter der Industrialisierung die Technologie mächtiger denn je geworden ist und bahnbrechende Möglichkeiten offenbart hat, ist es doch gerade die Technologie der letzten Jahrzehnte, die einen entscheidenden Sprung gemacht hat. Handys, Bluzuckersensoren und Herzschrittmacher, myoelektrische Armprothesen und Smartwatches sind deswegen so interessant, weil sie zu einer Gruppe von Geräten gehören, die immer näher an unseren Körper heranrücken, ihn teilweise ersetzen oder sogar innerhalb seiner äußerlichen Grenzen arbeiten. Ein Hammer bleibt immer ein Hammer. Das, was ihn ausmacht existiert ausserhalb der Grenzen unseres Körpers. Das tut ein Handy zwar auch, aber die Art und Weise wie wir es benutzen, nämlich die Interaktion mit seinem Innenleben, also seiner Programmierung, unterscheidet sich doch eindeutig von einem Hammer. Ein Herzschrittmacher wird erst durch das was er tut, zu dem was er ist. Und das was er tut, tut er innerhalb des menschlichen Körpers. Bevor er nicht implantiert wurde und seine Arbeit verrichtet, ist er nur ein Haufen Plastik, Drähte und Schaltkreise. Das was diesen Haufen Plastik, Drähte und Schaltkreise aber zu einem Herzschrittmacher macht, ist eben das, was er tut, wenn er seine Funktion aufnimmt. Genauso wie Sie zu dem werden, was Sie sind, wenn Sie Ihre Funktion aufnehmen. Genauso wie das Handy, der Hammer und so weiter. 

Also könnte ich doch auch ich sein, unabhängig von meinem biologischen Körper, denn immerhin würde ich ja etwas tun und dadurch ein Bild bei anderen Menschen erzeugen, völlig unabhängig davon, ob diese einen biologischen Körper besitzen, oder ebenfalls digitale Entitäten sind. Wenn in Serial Experiments Lain also gesagt wird, dass wir unsere Körper brauchen um uns unserer eigene Existenz gewiss zu sein, dann stimmt das bezogen auf einen biologischen Körper. Sind wir uns unserer Existenz immernoch so gewiss, wenn unser "Körper" nur noch aus elektronischen Signalen bestehen, selbst dann, wenn es diesen Signalen möglich ist, sich selbst zu erkennen und mit anderen Entitäten zu interagieren, unabhängig davon wie reichhaltig diese Interaktion gestaltet ist oder welche Form sie annimmt? Wenn mein Ich nur noch in digitaler Form existiert, dann ändert sich ihre Gestaltung natürlich erheblich. Ich kann keinen Döner mehr essen oder Sex haben. Die Freuden des Fleisches, ob das sexuelle Lust, der Geschmack von Tzatziki oder das Rauchen einer Zigarette ist, blieben mir verwährt. Es sei denn es bestünde die Möglichkeit die Menge und den Inhalt der Informationen die nötig sind um einen Döner oder einen Orgasmus zu erleben zu simulieren. 

Was ist Realität? Was unterscheidet die Realität zum Beispiel von einem Videospiel? Sicher, ein Videospiel ist real, weil es als Programm in der Realität existiert. Der Inhalt des Videospiels jedoch ist Fiktion. Eine Videospielfigur, die angeschossen wird, spürt keinen Schmerz. Das wird uns nur vermittelt. Die Darstellung der Informationen des Programms erzeugen bei uns den Eindruck, die Figur hätte Schmerzen. Wir akzeptieren dies, weil es Teil der Erfahrung des Videospiels ist, obwohl wir wissen, dass der Schmerz nicht real ist. Er ist Teil der Simulation. 

Unsere Realität ist nichts anderes als die Summe aller Eindrücke unserer Sinne. Hören, Sehen, Riechen, Fühlen und Schmecken und der von Hannah Arendt bezeichnete "sechste Sinn", dessen Aufgabe es ist aus den Informationen der anderen sechs Sinne ein kohärentes Ganzes zu schaffen bilden unsere individuelle Realität. Individuell, weil meine Realität stets eine andere ist, als die meines Gegenüber. Wenn wir zusammen an einem Tisch sitzen und die Tafel Schokolade auf dem selbigen betrachten, sehen wir uns zwar das Gleiche Objekt an, aber unsere räumliche Perspektive auf das Objekt unterscheidet sich. Wir sehen zwar die gleiche Tafel Schokolade und können uns auch darauf einigen, dass sie eben dort liegt, das ändert aber nichts daran, dass wir uns zwar über die gleiche Realität verständigen, wir aber trotzdem einen anderen Blickwinkel (im wörtlichen Sinne) darauf haben.

Wir können Teile unserer Realität bewusst verändern. Zum Beispiel durch Drogen. Aber auch durch Virtual Reality. VR-Brillen sind keine Science-Fiction mehr, sondern finden sich bereits in vielen Wohnzimmern als Teil von Spielekonsolen wieder. Sie verändern einen, meistens sogar zwei unserer Sinne: Sehen und Hören (weil Kopfhörer häufig dazugehören). Deswegen wird vielen Leuten beim Spielen mit VR auch schwindelig. Die Informationen des Gleichgewichtssinns, der Propreozeption (der Wahrnehmung der Lage im Raum), des Sehens und Hörens passen nicht mehr zusammen. Das wäre also alles kein Problem, wenn stattdessen alle Sinne verändert werden würden und der Gesamteindruck dadurch wieder kohärent wäre. Und machen wir uns doch nichts vor: technisch ist es kein Problem ein Gerät zu bauen, das dazu fähig ist. Riechen? Kein Problem. Sehen und Hören? Längst gelöst. Das Schmecken zu verändern dürfte auch nicht so schwierig sein, auch wenn mir das  persönlich etwas Unbehagen bereitet. Die Propreozeption und das Fühlen im allgemeinen zu beeinflussen dürfte schon etwas schwieriger sein. In naher Zukunft bestimmt aber nicht unmöglich. 

Stellen Sie sich also vor, dass der letzte Döner, den sie gegessen haben gar nicht real im strengen Sinne war, sondern nur eine Simulation. Erinnern Sie sich an dieser Stelle gerne an den Film "Matrix" um meinen Gedanken zu illustrieren. Der Döner war nur die Summe aus Informationen all Ihrer Sinne. Und in diesem Fall waren diese Informationen "künstlich." Sie wurden als elektrische Signale direkt in ihr Gehirn eingegeben. "Unmöglich" sagen Sie? Dann erkundigen Sie sich mal was ein Hirnschrittmacher ist. Wären wir dann nicht an dem Punkt, an dem wir die Unterscheidung zwischen real und künstlich aufgeben müssten? Sie sind an ein Gerät angeschlossen, dass all Ihren Sinnen vermittelt gerade Ihre Leibspeise zu essen und über eine Sonde wird Ihr Magen sogar noch mit einem Speisebrei aufgefüllt, sodass sich sogar das entsprechende Sättigungsgefühl einstellt. Es gibt nichts mehr, was für Sie eine Unterscheidung zwischen einem "echten" und einem "simulierten" Mittagessen möglich macht, ausser dem Wissen ob Sie gerade angeschlossen waren oder nicht. Reicht dieses Wissen aus um eine Unterscheidung zwischen real und künstlich vorzunehmen?

Wenn alle Eindrücke, alle Informationen, alle Interaktionen und jedes Gefühl, dass Sie jetzt kennen auch noch möglich wäre, wenn sie gar keinen biologischen Körper hätten, sondern nur noch als Datenstrom in der Welt wären, würden Sie dann noch sagen, dass sie existieren? Immerhin sind Sie ja nicht tot. Sie verändern ihr Ich und die Bilder von Ihnen, die andere haben schließlich weiter, handeln, interagieren und schreiben Ihre Geschichte in der Zeit, so wie mit einem biologischen Körper auch.

Wir müssen uns klarmachen, dass keines der hier entworfenen Szenarien unmöglich ist. Eher sind sie sehr wahrscheinlich. Es wird also Zeit sich darüber Gedanken zu machen, was es ist, was uns Menschen ausmacht. Ob wir bereit sind das zu verändern oder nicht. 

Ich denke eine Entwicklung in diese Richtung ist unausweichlich. Wie bereits gezeigt rückt Technologie immer näher an uns heran und da die Technologie die Konsequenz aus unserem leistungsfähigen Gehirn ist, spricht nichts dagegen zu sagen, dass eine Transzendenz in die unendlichen Tiefen der Daten die nächste Episode der menschlichen Geschichte sein wird und dann werden wir uns als Photonen mit Lichtgeschwindigkeit im gesamten Universum ausbreiten und hoffentlich erkennen, dass das was uns ausmacht nicht das ist was wir sind, sondern das was wir tun.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Irmin (Samstag, 06 August 2022 10:14)

    Ein Workshop im Museum kann Tore öffnen! Auch dank moderner Technologie. Dieser Beitrag erinnert mich an meine Nahtoderfahrung, wo ich nur noch Geist und mit dem Universum verbunden war. Keine Angst, keine Schmerzen, innere Ruhe, einfach wunderbar. Die Beschäftigung mit Neurologie, Quantenphysik, Kinesiologie u.ä. hat mich, die Welt und Gott in einem anderen Licht erscheinen lassen. Und meine Neugier ist geblieben. Danke, dass ich am "Fortschritt" der Welt teilhaben durfte.